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FRANKREICH


Arbeitsrecht


Die Kündigungsverfahren in Frankreich (Artikel auf Französisch)

Die Personalvertreter (Artikel auf Deutsch)

Die Auflösung eines Arbeitsvertrags im Rahmen eines Vertrags in Frankreich (Artikel auf Deutsch)

Die Wettbewerbsklauseln nach Ablauf des Vertrags (Artikel auf Deutsch)


Zivilrecht


Vereine und Stiftungen (Artikel auf Französisch)


Handelsrecht


Vorbeugung von finanziellen Schwierigkeiten von Unternehmen (Artikel auf Deutsch)

Die Insolvenzverfahren (Artikel auf Deutsch)

Der Forderungseintreibung in Frankreich (Artikel auf Französisch)

Der Direktanspruch nach dem Gesetz GAYSSOT vom 6. Februar 1998 (Artikel auf Französisch)

Die Fälschung (Artikel auf Deutsch)


Gesellschaftsrecht


Die Unternehmensformen in Frankreich und in Deutschland (Artikel auf Englisch)

Die S.A.S. (Artikel auf Deutsch)

Der Kauf eines Unternehmens (Artikel auf Deutsch)


Steuerrecht


Besteuerung des Wertzuwachses von Immobilien (Artikel auf Deutsch)


Erbrecht


Französisches Erbrecht (Artikel auf Deutsch)

Die deutsch-französische Erbschaft (Artikel auf Französisch)

Das französische Erbschaftssteuerrecht (Artikel auf Deutsch)


Berufsethik


Honorar der Anwälte in Frankreich (Artikel auf Deutsch)


Europarecht


Ratgeber zum Export in Europa (Artikel auf Englisch)

Vor-und Nachteile der „Europäischen Gesellschaft“? (Artikel auf Französisch)

Die Vorteile einer Immobilien-GbR für Personen ohne steuerlichen Wohnsitz in Frankreich (Artikel auf Französisch)


DEUTSCHLAND


Gesellschaftsrecht


Die Unternehmensformen in Frankreich und in Deutschland (Artikel auf Englisch)


Erbrecht


Die deutsch-französische Erbschaft (Artikel auf Französisch)

Praktischer Ratgeber zum deutschen Erbschaftsrecht (Artikel auf Französisch)


 

Unsere Veröffentlichungen


Der Kauf eines Unternehmens

Unternehmensübernahme in Frankreich – eine arbeitsrechtliche Bestandsaufnahme

Will ein deutscher Investor ein französisches Unternehmen ganz oder teilweise übernehmen, so bestimmt Art. L. 1224-1 des frz. Arbeitsgesetzes, dass eine Veränderung der rechtlichen Situation des Arbeitgebers die automatische Übernahme bestehender Arbeitsverträge zur Folge hat.
Der vorliegende Beitrag soll – neben der bestehenden EU-Richtlinie (vgl. EU-Richtlinie Nr. 2001/23 vom 12. März 2001) und -Rechtsprechung – einen Einblick in die interne französische Gesetzgebung geben und gleichzeitig auf Risiken für deutsche Übernehmer hinzuweisen, um so unangenehmen Überraschungen vorzubeugen. Auf eventuelle Besonderheiten im Insolvenzrecht soll hier nicht weiter eingegangen werden.

1. Gesetzlicher Hintergrund

Der französische Gesetzgeber will sicherstellen, dass eine Geschäftsübernahme nicht zu Beeinträchtigungen der Arbeitnehmerrechte führt oder diese gar ihre Stelle verlieren. So sehen der vorgenannte Artikel L. 1224-1 sowie die Rechtssprechung insbesondere folgende Ausprägungen von Unternehmensnachfolge vor:
– Verkauf eines Unternehmens;
– Fusion von Gesellschaften;
– Verpachtung eines Unternehmens;
– Unternehmensübertragung durch Erbfall;
– Abtretung eines Geschäftszweiges;
– Vergabe von Geschäftszweigen an einen Subunternehmer oder an einen externen Dienstleistungsbetrieb;
– Übernahme eines Unternehmens des Privatrechts durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.

2. Voraussetzungen

Damit der Artikel L. 1224 des Arbeitsgesetzes zur Anwendung kommt, müssen zwingend folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss einerseits eine selbständige wirtschaftliche Einheit („entité économique autonome“) übertragen werden und anderseits gleichzeitig die Identität der übernommenen wirtschaftlichen Einheit aufrecht erhalten werden („maintien de l’identité et la poursuite de l’activité de l’entité économique“).

2.1. Selbständige wirtschaftliche Einheit

Eine selbständige wirtschaftliche Einheit liegt dann vor, wenn gesamtheitlich organisiertes Personal sowie materielle und immaterielle Güter die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit erlauben und dabei ein bestimmter eigener Zweck weiter verfolgt wird.

a) Aufrechterhalten des unternehmenstypischen Betriebszweckes Es kann ein ganzes Unternehmen oder nur ein Unternehmenszweig übertragen werden, der übertragene Betrieb muss aber eine in sich funktionierende Struktur aufweisen und einen eigenen Zweck verfolgen. Dieser Zweck muss nach der Übertragung / Eingliederung in das neue Unternehmen beibehalten werden.
b) Eigenes Personal Für die übertragene Tätigkeit muss eigenes Personal vorhanden sein, wobei die Anzahl des Personals unerheblich ist. Es genügt demnach, wenn nur ein Angestellter mit der Ausübung der betriebstypischen Tätigkeit beschäftigt ist.
c) Eigene Mittel Der übertragene Betrieb muss über eigene materielle oder immaterielle Güter verfügen. Dazu gehören zum Beispiel Gebäude, Ateliers, Grundstücke, Ausstattung, Werkzeuge, Maschinen, Lagerbestand aber auch Kundschaft, geistiges Eigentum oder ein Geschäftsraummietvertrag.
Jedenfalls müssen diese Mittel für die ausgeübte Tätigkeit im Unternehmen notwendig und auf den neuen Betrieb übertragen werden. Die höchste französische Gerichtsbarkeit hat entschieden, dass Art. L. 1224-1 auch dann zur Anwendung kommen kann, wenn fast ausschließlich ein bestimmtes Know-how übernommen wird. Ist eben dieses Know-How für die Ausübung der Tätigkeit unerlässlich, so kann dies ein bedeutendes immaterielles Aktivgut darstellen.

2.2. Beibehaltung derselben Identität der wirtschaftlichen Einheit

Grundsätzlich gilt, dass der übernommene Betrieb weiter geführt werden muss; dabei wird das bisherige Aktivvermögen übernommen und weiter verwendet (vgl. o. Punkt 2.1. c). Dabei muss gegebenenfalls nur die übertragene Tätigkeitsbranche selbst aufrechterhalten werden, nicht aber die Tätigkeit des gesamten Unternehmens. Zudem muss die Tätigkeit auf Dauer fortgeführt oder nach einer vorübergehenden Unterbrechung wiederaufgenommen werden. Es besteht folglich eine Kontinuität in der Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit.

3. Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag und Folgen für die Beteiligten

Kraft Gesetzes gehen sämtliche Arbeitsverträge automatisch und zwingend am Tag der Übernahme auf den Übernehmer über; abweichende Vereinbarungen zwischen den Beteiligten sind ungültig.
Der Übernehmer muss nicht jeden einzelnen Arbeitnehmer gesondert informieren; hat aber – soweit vorhanden – den Betriebsrat oder Personalvertretung entsprechend zu informieren.
Der Arbeitnehmer kann sich der Übernahme nicht widersetzen. Er muss sich damit dem Arbeitgeberwechsel beugen oder gegebenenfalls selbst kündigen.
Betroffen sind sowohl befristete als auch unbefristete Arbeitsverträge sowie Ausbildungsverträge. Entscheidend ist, dass der Arbeitsvertrag im Zeitpunkt der Übernahme schon bestand. Ein Bestehen und damit eine Übernahme des Arbeitsvertrages wird auch dann angenommen, wenn sich der Arbeitnehmer in der Probezeit befand oder sein Arbeitsvertrag zum Zeitpunkt der Übertragung unterbrochen war (beispielsweise aus Krankheitsgründen).
Auch möglicherweise entsandte Arbeitnehmer gehören weiter dem übertragenen Unternehmen an. Anderes gilt, wenn der Angestellte vor der Übernahme durch seinen ursprünglichen Arbeitgeber entlassen wurde (vgl. u. Punkt 4).
Der Arbeitsvertrag ist zu denselben Konditionen fortzusetzen und folglich kann der Übernehmer keine neue Probezeit aufzwingen oder einseitig den Vertrag abändern (zum Beispiel Gehaltsänderung); auch das Dienstalter des Angestellten muss beibehalten werden. Ab dem Zeitpunkt der Übertragung hat der Übernehmer die Pflichten des vorherigen Arbeitgebers zu erfüllen und gegebenenfalls bei Übernahme fällige aber noch nicht bezahlte Lohnforderungen zu begleichen. Er kann indessen vom vormaligen Arbeitgeber die Rückerstattung verlangen. Dagegen gehen diejenigen Forderungen, die nach der Übertragung entstehen gänzlich auf den neuen Arbeitgeber über. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die zu leistenden Lohnforderungen und Prämien für vor der Übernahme geleistete Tätigkeit zu leisten sind. Im Innenverhältnis kann der Übernehmer vom ehemaligen Arbeitgeber jedoch die Rückerstattung des Betrages verlangen, welcher die Zeit vor der Übertragung betrifft. In diesem Rahmen hat die Rechtssprechung bestimmte Fälligkeitsgrundsätze entwickelt: so entsteht beispielsweise der Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt oder einer Prämie zum Jahresende am 31. Dezember des jeweiligen Jahres. Daneben bleibt es dem betroffenen Arbeitnehmer unbenommen, direkt gegen seinen ursprünglichen Arbeitgeber vorzugehen und Zahlung zu verlangen.

4. Kündigungsmöglichkeiten

4.1 Kündigung durch den vormaligen Arbeitgeber

Eine Kündigung ist grundsätzlich möglich, vorausgesetzt, dass diese nicht erfolgt, um die automatische Übernahme zu verschleiern. Sie darf auch nicht wegen einer aufgrund der Übernahme bevorstehenden Reorganisation des Unternehmens ausgesprochen werden. Eine solche Kündigung ist unwirksam und der betroffene Angestellte kann wahlweise entweder vom Übernehmer die Fortführung seines Arbeitsvertrages oder vom ehemaligen Arbeitgeber Schadensersatz wegen missbräuchlicher Kündigung fordern. Hat aber der Übernehmer den Betroffenen vor Ablauf seiner Kündigungsfrist darüber informiert, dass er ihn zu denselben Konditionen weiterbeschäftigt, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Pflichten des Arbeitsvertrages zu erfüllen. Letzterer kann somit nicht sein vorgenanntes Wahlrecht ausüben.

4.2 Kündigung durch den Übernehmer

Wie oben ausgeführt, ist der Übernehmer zur Fortführung der Arbeitsverträge verpflichtet; eine Umgehung dieses Grundsatzes ist unzulässig. Er kann aber nach erfolgter Übernahme dem Arbeitnehmer kündigen, wenn ein wirksamer Kündigungsgrund (aus persönlichen und auch betriebsbedingten Gründen, insbesondere Reorganisation des Unternehmens) vorliegt.
Ist einer Kündigung aus persönlichen Gründen ein Disziplinarverfahren beim vormaligen Arbeitgeber vorausgegangen, so kann sich der neue Arbeitgeber – unter Einhaltung einer zweimonatigen Verjährungsfrist – darauf berufen. Kündigungsentschädigungen sind entsprechend des Dienstalters (einschließlich dessen beim vormaligen Arbeitgeber!) zu bezahlen. Für noch eventuell bestehende Urlaubsansprüche vor Geschäftsübertragung kann der Übernehmer vom vormaligen Arbeitgeber den entsprechenden Betrag zurückverlangen.

5. Tarifvertragliche Regelungen und vom vormaligen Arbeitgeber gewährte Vorteile

Nur selten will der Übernehmer die bisher anwendbaren Tarifvereinbarungen beibehalten. Ein Beibehaltung ist insbesondere dann geboten, wenn der Übernehmer dieselbe Tätigkeit ausübt und damit der Anwendbarkeit desselben Tarifvertrages unterstellt ist. Zumeist wird die übernehmende Gesellschaft die tarifvertraglichen Regelungen nicht anwenden wollen oder können. Der Gesetzgeber sieht daher vor, dass etwaige bestehende tarifvertragliche Regelungen bis zur Verhandlung einer neuen Vereinbarung bestehen bleiben.
Werden keine neuen Verhandlungen geführt, bleiben jene „alten“ Regelungen für 15 Monate ab Übernahme in Kraft. Wenn somit innerhalb dieser 15 Monate keine neue Vereinbarung getroffen wird, so laufen die bisherigen Tarifvereinbarungen aus. Zu beachten ist aber, dass individuelle Vorteile (wie z. B. eine aufgrund des Dienstalters gewährte Prämie) als gewohnheitsrechtlicher Vorteil bestehen bleiben.
Bereits vom alten Arbeitgeber gewährte gewohnheitsrechtliche (wiederkehrende) Vorteile / Leistungen muss sich der neue Arbeitgeber entgegen halten lassen und damit die Fortzahlung veranlassen.

6. Fazit

Vor einer Unternehmensübernahme sollte ein Investor die rechtlichen Umstände der Übernahme genau beleuchten und sich im Vorfeld entsprechend anwaltlich beraten lassen. Es sollte dann eine Due Diligence einschließlich eines arbeitsrechtlichen Controllings der zu übernehmenden Struktur durchgeführt werden, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden und mögliche Risiken einzudämmen.